next up previous contents
Nächste Seite: Computersimulationen und Modellpotential für Aufwärts: disert Vorherige Seite: Inhalt   Inhalt

Einführung

Im Jahr 1888 berichtete der österreichische Botaniker Friedrich Reinitzer über Kristalle (Cholesteryl Benzoat), die zwei Schmelzpunkte hatten. Bei der Temperatur 145.5oC schmolz der Kristall in eine matte Flüssigkeit, die dann aber bei 178.5oC klar geworden war. Er informierte auch den deutschen Professor der Natur-Philosophie Otto Lehmann darüber, der dann genauere Untersuchungen ausführte. Die Zwischenphase hatte mechanische Eigenschaften einer Flüssigkeit und optische Eigenschaften eines Kristalls. Er nannte sie Soft Crystals, Floating Crystals, Crystalline Fluids und endlich dann Liquid Crystals. Lehmann merkte, dass sich die Flüssigen Kristalle (FK) verschiedenartig verhalten (nematische/smektische Eigenschaften) und er beobachtete, dass der Kontakt mit einer festen Wand eine Reorientierung verursachte. Anfang des 20.Jahrhunderts gab es einige Vermutungen, dass es sich um eine Emulsion oder Mischung handelt, aber Lehmann konnte mit Experimenten bis zum Jahr 1922 beweisen, das dies tatsächlich eine neue Phase war und er teilte sie sogar nach ihren Eigenschaften in drei Gruppen ein: nematische, smektische und cholesterische. Danach folgten noch genauere Untersuchungen der Struktur mit Röntgen - Strahlen und aufgrund des Verhaltens im starken magnetischen und elektrischen Feld.

Nach dem zweiten Weltkrieg fiel das Interesse für die FK. Vielleicht lag das daran, dass man darüber in aktuellen Büchern fast nichts geschrieben hatte, oder dass es damals noch keine praktische Anwendungen gab. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden wieder umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, so dass es inzwischen schon viele Produkte gibt, die auf dieser neuen Phase basieren.

Die Moleküle in den FK sind polar und lang oder scheibenförmig, mit der Tendenz sich in eine Richtung zu drehen, womit ein bestimmter Vektor (der Direktor) definiert wird. Mit einem externen elektrischen Feld kann man ihn drehen. Die Substanz ist doppelbrechend, so dass sich der Strahl in einen ordentlichen und einen ausserordentlichen mit verschiedenen Geschwindigkeiten verteilt. Bringt man die Substanz zwischen einen Polarisator und einen Analysator, dann kann bei bestimmter Dichte der Schicht, eine solche Schicht durchsichtig oder undurchsichtig werden (Pixel on/off). Die Flüssigen Kristalle sind im elektronischen Bereich (Bildschirme, Thermometer, optische Schalter ...) sehr wichtig, weil sie relativ dünn sind und wenig elektrische Energie verbrauchen. Noch immer ist aber sowohl die Dynamik (für normale Fernseher), als auch die Grösse der Fläche (für Info-Tafeln) ungenügend. Die Flüssigen Kristalle sind im elektronischen Bereich (Bildschirme, Thermometer, optische Schalter ...) sehr wichtig, weil sie relativ dünn sind und wenig elektrische Energie verbrauchen. Noch immer ist aber sowohl die Dynamik (für normale Fernseher), als auch die Grösse der Fläche (für Info-Tafeln) ungenügend. Die Elektronik für Steuerung ist schon sehr ausgereift, so dass die Grenzen der Verwendung vor allem von den optischen Eigenschaften der FK abhängig sind. Der Ziel von vielen Forschungen ist daher einen Teil (Pixel) möglich schnell zu drehen und dabei die Umgebung möglichst wenig zu beeinflussen. Um das zu erreichen, experimentieren die Wissenschaftler mit verschiedenen Mischungen und Additiven.

Bei den FK gibt es einerseits Orientierungsordnung, was an die Kristalle erinnert, anderseits erinnert die nicht perfekte Positionsordnung aber an die Flüssigkeiten. Nach dem Grad der Positionsordnung gibt es dabei drei Phasen (Abbildung 1 auf Seite [*]):

FK können aus folgenden molekularen Bausteinen bestehen [1]:

Abbildung 1.1: Drei Haupt-Phasen bei den FK.
\begin{figure}
\begin{center}
\subfigure [Nematische FK]{\mbox{\epsfig {file=fig...
...e]{\mbox{\epsfig {file=fig/columnar.ps, height=5.5cm}}}
\end{center}\end{figure}

Meistens haben die Phasendiagramme von FK viele Mesophasen [1,2], aber im allgemeinen sind Übergänge zwischen Hauptphasen interessant. So wechselt zum Beispiel 4-n-pentylbenzenethio-4'-n-decyloxybenzoate ( $ \overline{10}$S5) zwischen 60oC und 86oC viermal die Phase (Abbildung 1.2 auf Seite [*]) [3].

Abbildung: Phasendiagramm für 10S5.
\begin{figure}
\begin{center}
{\mbox{\epsfig {file=fig/phas-diag.ps, height=3.5cm}}}
\end{center}\end{figure}

Die Flüssigen Kristalle werden mittels der Kontinuumtheorie gründlich untersucht, nicht aber auf dem molekularen Niveau, was besonders wichtig wäre, weil damit einige Erklärungen fehlen, wie zum Beispiel für die Defekte, die bei den optischen Eigenschaften wieder eine entscheidende Rolle spielen.

Mit der steigenden Rechenleistung der Computer sind aber in den letzten Jahrzehnten ernsthafte Simulationen auch auf dieser Ebene möglich geworden. In den Achzigerjahren war das harte Potential beliebt. Die Ergebnisse für harte Ellipsoide [4,5] haben nur einen Übergang zwischen der nematischen und isotropischen Phase ergeben. Um auch eine smektische Phase zu erzielen, haben sich harte Sphärozylinder [6] als günstig erwiesen. Es gibt auch interessante Versuche mit harten Plättchen [7] und anderen Modellsystemen [8].

Richtig brauchbare Phasendiagramme leisten aber erst weiche Potentiale, unter denen sich das Gay-Berne Potential als bestes Modell erwiesen hat. Es wurde nicht nur gründlich hinsichtlich seiner Parameter durchsucht, sondern auch an verschiedenen Modifizierungen. So kann man schraubenartige FK [9], polare FK [10], quadrupolare FK [11], biaxiale FK [12], Mischungen [13,14], Lösungen [15,16], Filme [17,18,19,20,21] etc. simulieren. All das verspricht noch viel Geschehen in diesem Gebiet. Momentan sind das nur bescheidende Simulationen mit bis zu 1000 Molekülen, wir erwarten aber schon in kurzer Zeit grössere Systeme, die der Realität näher kommen werden.

In den nachfolgenden Kapitel erläutern wir die Simulationsmethode (Monte Carlo) und das Modell (Gay-Berne Potential). Danach erforschen wir die Reinstoffe verschiedener Länge, um eine Grundlage für unser Zentralproblem zu schaffen. Im vierten Kapitel sind die äquimolaren Mischungen von FK der Länge 3/1.5 von Hauptinteresse. Danach folgt eine Zusammenfassung.


next up previous contents
Nächste Seite: Computersimulationen und Modellpotential für Aufwärts: disert Vorherige Seite: Inhalt   Inhalt
Renato Lukac
2000-01-02